Themen

Kapitel 9: Haftpflichtfall


Haftpflichtfälle sind für jede Zahnärztin und jeden Zahnarzt unangenehm. Der Vorwurf wird ganz schnell von Patienten erhoben und viele Zahnärzte fühlen sich in der Ehre angegriffen.

Oftmals sind es Patientinnen und Patienten mit komplizierten Sonderwünschen oder besonders einfühlsame Patienten, die den Vorwurf erheben, dass der Zahnarzt sich nicht de lege arte verhalten hat. In dieser Situation gilt es ruhig zu bleiben und keinesfalls emotional zu reagieren. Vielmehr sollten Sie besonnen die Situation analysieren und ggf. frühzeitig einen Anwalt einschalten.

Worauf es genau ankommt, können Sie in diesem Kapitel lesen.

9.1  Nachbesserung

Ist eine zahnärztliche Versorgung mit Zahnersatz nicht von Beginn an fehlerfrei zur Zufriedenheit des Patienten angefertigt worden, stellt sich die Frage, ob – und wenn ja, wie oft – der Patient dem Behandler die Möglichkeit zur Nachbesserung einräumen muss. Die zahnärztliche Versorgung des Patienten mit Zahnersatz schließt als Dienstvertrag das Recht des Zahnarztes auf Nachbesserung zur Vermeidung von Schadensersatzansprüchen grundsätzlich aus. Da die Eingliederung von Zahnersatz aber regelmäßig ein mehrstufiger Prozess ist, dem das Risiko anfänglicher Passungenauigkeiten und Beweglichkeiten immanent ist, soll der Patient grundsätzlich bei der weiteren Eingliederung z. B. einer Prothese mitwirken.anmelden und weiterlesen

Dies umfasst vor allem die Anzeige von Druckstellen, Lockerungserscheinungen oder Beweglichkeiten sowie die Wiedervorstellung, um Gelegenheit zur Fortsetzung der Behandlung zu geben. Der Zahnarzt hat die Pflicht, den Patienten so zu behandeln, dass die prothetische Versorgung am Ende der Behandlung dem Facharztstandard entspricht. Gelingt eine befriedigende prothetische Lösung nicht beim ersten Versuch, verstößt dies noch nicht gegen den Fachzahnarztstandard.

Selbst das Misslingen eines Korrekturversuchs muss nicht behandlungsfehlerhaft sein. Die prothetische Behandlung besteht zum Teil auch in einem „Vortasten“ zu einer befriedigenden Lösung. Dabei ist es regelmäßig sowohl von der Einwilligung des Patienten als auch vom Inhalt des konkreten Behandlungsvertrags gedeckt, dass der Zahnarzt Gelegenheit zur Behandlungsfortführung über den ersten Eingliederungstermin hinaus erhält.

Beendet der Patient die Behandlung durch Kündigung vorzeitig, wozu er berechtigt ist, so hat er – außer in den Fällen der Unzumutbarkeit der Fortsetzung der Behandlung – das Nichterreichen einer befriedigenden Eingliederung von Zahnersatz überwiegend selbst zu vertreten. Weigert sich ein Patient nach Eingliederung von Zahnersatz, zumutbare Nachbesserungsmaßnahmen des Zahnarztes hinzunehmen, kommen Schadensersatz- und Schmerzensgeldansprüche nicht in Betracht.

Beendet der Patient die Behandlung durch Kündigung vorzeitig, wozu er berechtigt ist, so hat er – außer in den Fällen der Unzumutbarkeit der Fortsetzung der Behandlung – das Nichterreichen einer befriedigenden Eingliederung von Zahnersatz überwiegend selbst zu vertreten. Weigert sich ein Patient nach Eingliederung von Zahnersatz, zumutbare Nachbesserungsmaßnahmen des Zahnarztes hinzunehmen, kommen Schadensersatz- und Schmerzensgeldansprüche nicht in Betracht.

Zumutbar kann sogar die Neuanfertigung der Versorgung sein, OLG Dresden, Beschluss vom 21.01.2008, 4 W 28 08; OLG Karlsruhe, Urteil vom 28.02.2007, 7 U 224-06. Der Umfang der Nachbesserungsversuche, die der Patient dem Zahnarzt zugestehen muss, bevor er zur Verweigerung des Honorars berechtigt ist, hängt dabei in erster Linie von dem Umfang und der Schwierigkeit der vorzunehmenden Arbeiten ab. Die Entscheidung darüber, ob dem Patienten eine erforderliche Nachbehandlung zumutbar ist oder ob ihm ein außerordentliches Kündigungsrecht des Vertrages zusteht, orientiert sich an den Umständen des Einzelfalls. Zu berücksichtigen sind hierbei insbesondere die Schwere des Behandlungsfehlers, Dauer und Erfolg bereits durchgeführter Nachbehandlungen, die Einsicht des Zahnarztes in die Notwendigkeit einer Nachbehandlung sowie deren Umfang.

Problematisch sind Konstellationen, in denen die Notwendigkeit einer Neuanfertigung der Versorgung besteht. Hier dürfte danach abzugrenzen sein, wie stark in die körperliche Integrität des Patienten eingegriffen wird. Bei der Neuanfertigung einer Prothese, bei der lediglich neue Abformungen angefertigt werden müssen, wird man eher von dem Recht zur Nachbesserung in Form der Neuanfertigung ausgehen können als z. B. in den Fällen, in denen bereits definitiv eingesetzte Kronen oder Brücken entfernt werden müssten. In letzteren Fällen tendieren manche Gerichte dazu, dem Behandler ein Recht zur Nachbesserung abzusprechen. Bei der Prüfung der Zumutbarkeit einer Weiterbehandlung können auch subjektive Faktoren eine Rolle spielen, vorrangig muss die Frage der Zumutbarkeit jedoch anhand der objektiven Kriterien beurteilt werden.

9.2  Dokumentationspflicht des Zahnarztes

9.2.1  Standesrechtliche Regelungen

Zahnärzte sind standes- bzw. berufsrechtlich verpflichtet, die Behandlungen ihrer Patienten zu dokumentieren. Es sollte aber auch aus Selbstschutz im Interesse des Zahnarztes liegen, Befunde und Behandlungsmaßnahmen, Aufklärungsgespräche etc. zu dokumentieren, um in einem etwaigen Haftungsprozess die ordnungsgemäße Behandlung darlegen zu können. § 630f BGB lautet:anmelden und weiterlesen

  1. Der Behandelnde ist verpflichtet, zum Zweck der Dokumentation in unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang mit der Behandlung eine Patientenakte in Papierform oder elektronisch zu führen. Berichtigungen und Änderungen von Eintragungen in der Patientenakte sind nur zulässig, wenn neben dem ursprünglichen Inhalt erkennbar bleibt, wann sie vorgenommen worden sind. Dies ist auch für elektronisch geführte Patientenakten sicherzustellen.
  2. Der Behandelnde ist verpflichtet, in der Patientenakte sämtliche aus fachlicher Sicht für die derzeitige und künftige Behandlung wesentlichen Maßnahmen und deren Ergebnisse aufzuzeichnen, insbesondere die Anamnese, Diagnosen, Untersuchungen, Untersuchungsergebnisse, Befunde, Therapien und ihre Wirkungen, Eingriffe und ihre Wirkungen, Einwilligungen und Aufklärungen. Arztbriefe sind in die Patientenakte aufzunehmen.
  3. Der Behandelnde hat die Patientenakte für die Dauer von zehn Jahren nach Abschluss der Behandlung aufzubewahren, soweit nicht nach anderen Vorschriften andere Aufbewahrungsfristen bestehen.“

§ 12 Abs. 1 MBOZÄK lautet:

„Der Zahnarzt ist verpflichtet, Befunde und Behandlungsmaßnahmen chronologisch und für jeden Patienten getrennt zu dokumentieren (zahnärztliche Dokumentation) und mindestens zehn Jahre nach Abschluss der Behandlung aufzubewahren. Abweichend davon sind zahnärztliche Modelle, die zur zahnärztlichen Dokumentation notwendig sind, mindestens zwei Jahre nach Abschluss der Behandlung aufzubewahren. Diese Regelungen gelten, soweit nicht nach gesetzlichen oder anderweitigen Vorschriften längere Aufbewahrungsfristen bestehen.“

9.2.2  Zivilrechtliche Regelungen

Sowohl aus dem Behandlungsvertrag als auch aus Deliktsrecht entspringt die Pflicht des Zahnarztes zur Dokumentation der ärztlichen Tätigkeit, da eine unzulängliche Erfassung des Behandlungsverlaufs die weitere Behandlung entscheidend erschweren kann. Art, Umfang und Inhalt der Dokumentation bestimmen sich nach dem Dokumentationszweck. Dieser besteht in der Sicherung der therapeutischen Behandlung, da jeder mit- und nachbehandelnde Zahnarzt sich über die durchgeführten Maßnahmen und Therapien informieren können muss. Aber auch, wenn nur ein Zahnarzt den Patienten behandelt, muss eine verlässliche Datengrundlage für die Therapie vorhanden sein.

Mangelt es an einer sorgfältigen Dokumentation, kann dem Patienten eine entsprechende Beweiserleichterung zugutekommen, indem der Tatrichter vermuten kann, dass nicht dokumentierte Maßnahmen nicht vorgenommen oder nicht dokumentierte Befunde nicht erhoben wurden, da dem Patienten der Nachweis eines ärztlichen Behandlungsfehler sonst erschwert würde.

Inhaltlich muss die Dokumentation einzelfallabhängig die wesentlichen Fakten und Befunde für die Anamnese, Diagnose und Therapie so enthalten, dass der Fachmann sich ausreichend über den Verlauf der Behandlung orientieren kann, insbesondere über die Medikation, die ärztlichen Hinweise und Anweisungen an die Pflege und auch über Abweichungen von Standardbehandlungen.

Darzustellen sind der Verlauf der Behandlung, die Aufklärung (auch eine Eingriffsverweigerung des Patienten trotz Aufklärung über eine dringend indizierte Untersuchung ist zu dokumentieren), der Verlauf einer Operation, Zwischenfälle etc. Die Dokumentationspflicht besteht selbst dann, wenn die Untersuchungen normale Werte ergeben haben. Es besteht eine gesteigerte Pflicht zur Dokumentation bei Risikopatienten oder Abweichungen vom Normalverlauf.

Zugunsten des für den Behandlungsfehler beweispflichtigen Patienten kommen Beweiserleichterungen in Betracht, wenn die Dokumentation lückenhaft oder gar unzulänglich ist und deswegen für ihn im Falle einer Schädigung die Aufklärung des Sachverhalts unzumutbar erschwert wird. Das Fehlen einer Dokumentation indiziert, dass die aufzeichnungspflichtige Maßnahme unterblieben ist.

Das wird damit begründet, dass grundsätzlich der Patient die Darlegungs- und Beweislast für Behandlungsfehler trägt. Lediglich in Ausnahmefällen, nämlich bei leichtfertigem Verhalten des Zahnarztes bzw. bei schuldhafter Herbeiführung eines groben Behandlungsfehlers, sieht die Rechtsprechung Beweiserleichterungen bis hin zur Beweislastumkehr vor. Der Zahnarzt muss dann beweisen, dass der Behandlungsfehler nicht ursächlich für die körperliche Schädigung war. Das Vorliegen eines solchen leichtfertigen Verhaltens bzw. eines schuldhaft begangenen groben Behandlungsfehlers hat allerdings wiederum der Patient zu beweisen, BGH, Urteil vom 28.06.1988, VI ZR 217/87.

Wenn also diese Beweisführung des Patienten dadurch unmöglich gemacht wird, dass die Dokumentation unzulänglich, unvollständig oder sogar evident falsch ist, werden zugunsten des Patienten Beweiserleichterungen angenommen. Der behandelnde Zahnarzt sollte seine Dokumentation umfassend führen, indem er alle relevanten Fakten schriftlich festhält.

Sind Maßnahmen in der Dokumentation nicht enthalten, führt dies nicht bereits zu der Vermutung, dass die nicht vermerkte Maßnahme nicht durchgeführt wurde. Sie kann im Zusammenhang mit weiteren Umständen allerdings als Indiz einer Beweiserleichterung für den Patienten gewertet werden.

Letztlich muss eine Abwägung schutzwürdiger Interessen der Patienten an einer vollständigen Dokumentation und der übermäßigen Belastung der Zahnärzte durch eine vollständige Dokumentation stattfinden. Der Dokumentationsaufwand muss sich in einem überschaubaren Rahmen halten, damit den Zahnärzten ausreichend Zeit für ihre eigentliche Tätigkeit, die Behandlung kranker Menschen, verbleibt.

„Grundsätzlich kann das Gericht einer formell und materiell ordnungsgemäßen Dokumentation, die keinerlei Anhalt für Veränderungen/Verfälschung oder Widersprüchlichkeiten bietet, Glauben schenken.“, OLG München, Urteil vom 15.07.2011, 1 U 5092/10. Damit wird vermutet, dass eine entsprechende Dokumentation richtig ist. Aufzeichnungen in der Dokumentation müssen außerdem in zeitlich nahem Bezug zu dem dokumentierten Geschehen erstellt werden, damit ihnen diese Beweiskraft zukommt.

Eine detaillierte, medizinisch plausible und schlüssige Dokumentation, die keinerlei Lücken oder Fehler erkennen lässt, kann somit nicht einfach widerlegt werden. Die Dokumentation hilft auch als Beweis, wenn es zu Streitigkeiten darüber kommt, ob eine bestimmte Leistung überhaupt erbracht wurde und abgerechnet werden durfte. Ist die Leistungserbringung in der Patientenkartei festgehalten, wird vermutet, dass die Leistung tatsächlich erbracht wurde.

Die handschriftlich geführten Behandlungsunterlagen gelten als Urkunden im Rechtssinne mit der Folge, dass bei ihnen die Vollständigkeit und Richtigkeit vermutet wird. Den Nachweis einer Fälschung der Behandlungsunterlagen hat daher der Patient zu führen. Einer EDV-Dokumentation, die nicht gegen nachträgliche Veränderung gesichert ist, kann dennoch genauso wie eine handschriftliche Dokumentation als Beweis verwertet werden, wenn der Zahnarzt plausibel darlegt, dass die Dokumentation nicht nachträglich verändert wurde und die Dokumentation aus medizinischen Gesichtspunkten plausibel erscheint, OLG Hamm, Urteil vom 26.01.2005, 3 U 161/04.

9.2.3  Zusammenfassung

Aufzeichnungen über den Behandlungsverlauf werden vom Zahnarzt als vertragliche Nebenpflicht geschuldet. Inhaltliche Mängel der Krankenunterlagen führen im Haftungsprozess zu Beweisnachteilen für den Zahnarzt. Auch standesrechtlich sind Zahnärzte verpflichtet, eine Dokumentation zu führen, die diesen Ansprüchen genügt.

Nach dem Zweck der Dokumentationspflicht muss der Zahnarzt alles festhalten, was für ihn erkennbar bei späterer zahnärztlicher Überprüfung seines Vorgehens zur Grundlage einer Begutachtung erforderlich ist.

Die von der Rechtsprechung bei erheblichen Dokumentationsmängeln zugelassenen Beweiserleichterungen zum Nachweis eines Behandlungsfehlers sind unabhängig von Zahl und Umfang einzelner Mängel gerechtfertigt, wenn Fehler der Aufzeichnungen diese insgesamt für eine Begutachtung des ärztlichen Verhaltens als unbrauchbar erscheinen lassen.

9.3  Einsichtsrecht des Patienten in die Dokumentation

Grundsätzlich gilt, dass jeder Patient das Recht hat, in seine Krankenunterlagen Einsicht zu nehmen, die ein Zahnarzt aufgrund seiner Dokumentationspflicht erstellt hat. Die Einsichtnahme dient dem Recht des Patienten auf informationelle Selbstbestimmung.anmelden und weiterlesen

Die „Einsichtnahme in die Patientenakte” ist in § 630g BGB geregelt:

  1. Dem Patienten ist auf Verlangen unverzüglich Einsicht in die vollständige, ihn betreffende Patientenakte zu gewähren, soweit der Einsichtnahme nicht erhebliche therapeutische Gründe oder sonstige erhebliche Rechte Dritter entgegenstehen. Die Ablehnung der Einsichtnahme ist zu begründen. § 811 ist entsprechend anzuwenden.
  2. Der Patient kann auch elektronische Abschriften von der Patientenakte verlangen. Er hat dem Behandelnden die entstandenen Kosten zu erstatten.
  3. Im Fall des Todes des Patienten stehen die Rechte aus den Absätzen 1 und 2 zur Wahrnehmung der vermögensrechtlichen Interessen seinen Erben zu. Gleiches gilt für die nächsten Angehörigen des Patienten, soweit sie immaterielle Interessen geltend machen. Die Rechte sind ausgeschlossen, soweit der Einsichtnahme der ausdrückliche oder mutmaßliche Wille des Patienten entgegensteht.”

Das Recht der Einsichtnahme hat der Patient sowohl während als auch nach Abschluss seiner Behandlung. Seine Unterlagen kann er insbesondere auch dann einsehen, wenn er sie benötigt, um Haftpflichtansprüche (auch gegen den behandelnden Zahnarzt) wegen eines Behandlungsfehlers durchzusetzen. Das Einsichtsrecht in die Krankenakte steht ggf. auch gesetzlichen Vertretern, Angehörigen oder anderen Personen (jeweils mit Vollmacht) oder Nachkommen des Patienten zu – unter Einschränkung des § 630 g Abs. 3 S. 3 BGB.

Patienten haben einen Anspruch auf Einsicht in alle konkreten, objektiven Befunde und Berichte über Behandlungsmaßnahmen, Abbildungen wie Röntgenbilder, Operationsberichte, Protokolle zur Narkose, Angaben zur Medikation etc.

Subjektive Eindrücke, die der Zahnarzt als persönliche Anmerkungen notiert hat, müssen dem Patienten nicht zugänglich gemacht werden.

Die Rechtsprechung geht davon aus, dass ein Patient einen Anspruch auf Einsicht in die Originaldokumentation und auf Übergabe von Kopien hat. Inzwischen ist geklärt, dass der Behandler verpflichtet ist, unter Berufung auf Art. 15 Abs. 3 DSGVO die Kopien kostenlos an den Patienten zu übergeben, LG Dresden, Urteil vom 29.05.2020, Az. 6 O 76/20. Der Wunsch auf Einsichtnahme bedarf keines besonderen rechtlichen Interesses des Patienten.

9.4  Bedeutung der Aufklärung des Patienten

Inhaltliche Mängel der Behandlungsunterlagen können im Haftungsprozess zu Beweisnachteilen für den Zahnarzt führen. Daher ist jedem Zahnarzt dringend zu raten, in den Behandlungsunterlagen sämtliche Befunde, Diagnosen, Aufklärungsgespräche sowie erbrachte Leistungen zu dokumentieren. In der Regel gilt: Was nicht dokumentiert wurde, wurde auch nicht erbracht oder besprochen. Zwar kann auch ein an einer Behandlung beteiligter Mitarbeiter als Zeuge zu Beweiszwecken benannt werden. Aber oft arbeiten die entsprechenden Mitarbeiter nicht mehr für den Zahnarzt oder sie können sich an den konkreten Fall nicht mehr erinnern. In jedem Prozess kann durch eine vollständige Behandlungsdokumentation, mit der sich eine bestimmte Behandlung nachvollziehen lässt, am einfachsten Beweis geführt werden.anmelden und weiterlesen

Die Dokumentation des Zahnarztes ist aus anwaltlicher Sicht häufig prozessentscheidend. Sind die Eintragungen zeitnah erstellt worden und können keine Umstände vorgetragen werden, die zu Zweifeln an der allgemeinen Vertrauenswürdigkeit der Eintragungen berechtigen, wird jedes Gericht die Dokumentation als Beweis akzeptieren. Die Dokumentation begründet in juristischer Hinsicht die Vermutung der Vollständigkeit und Richtigkeit für die in ihr dargestellten Behandlungsmaßnahmen.

Praxistipp: Äußert ein Patient während der laufenden Behandlung seine Unzufriedenheit oder kritisiert er Sie, sollten Sie einer sorgfältigen Dokumentation besonderes Augenmerk schenken. Häufig ist in solchen Fällen Ärger vorprogrammiert. Hören Sie auf Ihr Bauchgefühl!

9.5  Berufshaftpflichtversicherung und Anzeigeobliegenheit

Sollte der Patient Schmerzensgeld- oder sonstige Schadensersatzansprüche geltend machen, ist eine sofortige Information der Berufshaftpflichtversicherung unumgänglich, auch wenn die geltend gemachten Ansprüchen unberechtigt erscheinen. Die Abwehr unberechtigter Ansprüche gehört zu den Leistungen der Berufshaftpflichtversicherung. Damit die Versicherung nicht leistungsfrei wird, weil der Zahnarzt seiner Informationsobliegenheit nicht nachgekommen ist, muss sie sofort über Schadensfälle informiert werden.anmelden und weiterlesen

Praxistipp: Erkennen Sie Schadensersatzansprüche keinesfalls an! Manche Zahnärzte reagieren bei Kritik mitfühlend, um den Patienten zu beruhigen. Oft können selbst arglose Bemerkungen eines Zahnarztes als juristisches Anerkenntnis verstanden werden. Meist lassen sich solche Anerkenntnisse leichter beweisen als vermeintliche Behandlungsfehler. Daher gilt wie im Krimi: Ohne meinen Anwalt sage ich gar nichts!

Um eine sog. Obliegenheitsverletzung zu vermeiden, die zur Leistungsfreiheit der Berufshaftpflichtversicherung führen kann, ist in der Regel eine unverzügliche und schriftliche Unterrichtung der Versicherung erforderlich. Als unverzüglich gilt noch eine Zeitspanne bis zu einer Woche.

Sollten Dritte – also nicht der Patient persönlich – Behandlungsunterlagen anfordern oder sonstige Erklärungen verlangen, dürfen diese Unterlagen nur dann herausgeben werden, wenn zuvor eine vom Patienten unterschriebene Schweigepflichtsentbindungserklärung vorgelegt wurde. Oftmals ist diese Aufforderung der erste Schritt zu einer prozessualen Klärung der Ansprüche des Patienten.

9.6  Beweislast im Haftpflichtprozess

Eine erhebliche Bedeutung für den Ausgang eines Zahnarzthaftungsprozesses hat die Darlegungsund Beweislastverteilung. Lässt sich eine streitentscheidende Behauptung nicht aufklären, unterliegt diejenige Partei, die beweisfällig geblieben ist.anmelden und weiterlesen

Macht der Patient einen Anspruch aufgrund eines Behandlungsfehlers geltend, hat er grundsätzlich das Vorliegen eines Behandlungsfehlers, den Eintritt eines Schadens, den Ursachenzusammenhang zwischen Fehler und dem geltend gemachten Schaden sowie das Verschulden des Zahnarztes darzulegen und zu beweisen.

Die Beweislastverteilung im Zahnarzthaftungsrecht ist durch die Rechtsprechung stark modifiziert worden. Hinsichtlich der Beweisbarkeit eines Behandlungsfehlervorwurfes kommen dem klagenden Patienten zahlreiche, durch die Rechtsprechung entwickelte Beweiserleichterungen zugute, die sogar zur Umkehr der Beweislast führen können, § 630h BGB, bspw. OLG Koblenz, Urteil vom 29. 6. 2006, 5 U 1591/05.

Im Bereich der Aufklärung trägt der Zahnarzt die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen einer wirksamen Einwilligung in den Eingriff und damit auch für die Durchführung eines ordnungsgemäßen Aufklärungsgesprächs mit dem Patienten. Die Kausalität des Eingriffs für einen behaupteten Schaden hat hingegen der Patient zu beweisen.

Die aus dem Verfassungsrecht hergeleiteten Prinzipien der Waffengleichheit im Prozess und des Anspruchs auf ein faires Verfahren führen dazu, dass an die Darlegungspflicht des Patienten nur maßvolle und verständige Anforderungen zu stellen sind. Von ihm können regelmäßig keine genauen Kenntnisse der medizinischen Vorgänge gefordert und erwartet werden, weil die medizinischen Sachverhalte für den Patienten als medizinischen Laien komplex sind und oft undurchschaubar erscheinen, sodass ihm ein substantiierter Vortrag – wie im Zivilprozess üblicherweise gefordert – nicht möglich ist.

Der Patient muss mit der Klage lediglich in groben Zügen zum Ausdruck bringen, welches ärztliche Verhalten fehlerhaft gewesen ist und welcher Schaden hierdurch eingetreten sein soll. Er kann sich aufgrund der ihn treffenden Folgen auf die Darlegung von Tatsachen beschränken, die ein fehlerhaftes Verhalten des Zahnarztes vermuten lassen. Medizinische Einzelheiten sind nicht erforderlich. Deshalb genügt es nicht, allein aus dem Misslingen einer Heilbehandlung einen Verstoß gegen die Regeln der ärztlichen Kunst abzuleiten, sondern der Patient muss, wenn er schon einen Fehler lediglich vermutet und nicht begründet darstellen kann, doch wenigstens seine Verdachtsgründe darlegen, damit sich die Gegenseite oder ein Gutachter damit sachlich befassen können.

Erforderlich ist ein Mindestmaß an nachvollziehbarem Vorbringen, dass in sich schlüssig ist. Widersprüchlicher oder nicht nachvollziehbarer Vortrag ist auch im Zahnarzthaftungsprozess als unschlüssig zu werten.

Der Zahnarzt hat schon nach allgemeinen zivilprozessualen Grundsätzen umfassend zum Behandlungsverlauf vorzutragen, soweit die durch ihn durchgeführte Behandlung betroffen ist.

Eine sogenannte sekundäre Darlegungslast besteht dann, wenn eine darlegungspflichtige Partei außerhalb des von ihr darzulegenden Geschehensablaufs steht und keine nähere Kenntnis der maßgebenden Tatsachen besitzt, während der Prozessgegner sie hat und ihm nähere Angaben zumutbar sind. Der Patient kann regelmäßig nicht wissen, wie im Einzelnen verfahren wurde, weil ihm der nötige Überblick und die erforderliche Fachkenntnis fehlen. Wesentliche Behandlungsschritte bekommt er gar nicht mit (u. a. bei Anästhesie).

Es gibt folgende Beweiserleichterungen, um zu einem sachgerechten Interessenausgleich zu gelangen und dem Patienten bei Beweisschwierigkeiten entgegenzukommen:

  • Grober Behandlungsfehler
  • Unterlassene Befunderhebung
  • Dokumentationsfehler
  • Voll beherrschbares Risiko
  • Anscheinsbeweis
9.6.1  Grober Behandlungsfehler

Stellt das Gericht fest, dass ein Behandlungsfehler „grob“ im Sinne der höchstrichterlichen Rechtsprechung ist, folgt daraus grundsätzlich eine Beweislastumkehr zugunsten des Patienten für das Tatbestandsmerkmal der Kausalität. Es wird vermutet, dass der festgestellte Behandlungsfehler kausal für den Primärschaden war. Dem Behandler bleibt lediglich die Möglichkeit, die fehlende Ursache des Behandlungsfehlers für die Schädigung zu beweisen. Das gelingt oft nicht.

Ein Behandlungsfehler ist dann „grob“, wenn ein medizinisches Fehlverhalten vorliegt, welches aus objektiver ärztlicher Sicht nicht mehr verständlich erscheint, weil ein solcher Fehler dem Zahnarzt schlechterdings nicht unterlaufen darf.

9.6.2  Unterlassene Befunderhebung

Die Rechtsprechung stellt den Zahnarzt, der die aufgrund des diagnostizierten Krankheitsbildes erforderlichen Untersuchungsmaßnahmen unterlässt, schlechter als denjenigen, der sich in der Diagnose irrt. Häufig wird die unterlassene Befunderhebung beweisrechtlich einem groben Behandlungsfehler gleichgestellt. Wenn eine unterlassene Befunderhebung an sich schon als grob fehlerhaft zu qualifizieren ist, gelten unmittelbar die Grundsätze für grobe Behandlungsfehler. Liegt eine unterlassene Befunderhebung unterhalb der Schwelle eines groben Behandlungsfehlers, wird zuerst geprüft, ob die unterlassene Befunderhebung bei ihrer Durchführung fiktiv zu einem reaktionspflichtigen Befund geführt hätte; ist dies hinreichend wahrscheinlich, wird für die rechtliche Beurteilung das positive Befundergebnis unterstellt.

Es wird sodann geprüft, ob die (tatsächlich erfolgte) Nichtreaktion auf den (fiktiv) zu unterstellenden Befund als grob fehlerhaft zu werten ist. Dies ist bei einem unterstellten reaktionspflichtigen Befund nahezu immer der Fall. Liegen diese Voraussetzungen vor, wird die einfache behandlungsfehlerhaft unterlassene Befunderhebung einem groben Behandlungsfehler beweisrechtlich gleichgestellt.

9.6.3  Voll beherrschbares Risiko

Steht bei der Geltendmachung eines Behandlungsfehlers fest, dass die Schädigung aus einem Bereich stammt, dessen Gefahren von dem Zahnarzt hätten voll ausgeschlossen werden können und müssen, hat der Behandler die Vermutung der objektiven Pflichtwidrigkeit zu widerlegen.

Dies setzt allerdings voraus, dass der Patient darlegt und beweist, dass es sich bei der Durchführung der Behandlungsmaßnahme um einen voll beherrschbaren Risikobereich des Zahnarztes bzw. des Hilfspersonals gehandelt hat. Hier haben sich diverse Fallgruppen herausgebildet, so z. B. Fehlerhaftigkeit eingesetzter medizinischer Geräte, vermeidbare Keimübertragungen etc.

9.6.4  Dokumentationsfehler

Der Dokumentationsfehler ist nicht einem Behandlungsfehler gleichzusetzen, jedoch führt er zu einer Beweiserleichterung für den Patienten, da die vom Behandler fehlerhaft verursachte Unaufklärbarkeit des Behandlungsverlaufs nicht zulasten des Patienten gehen soll. Zugunsten des Patienten wird vermutet, dass eine nicht dokumentierte dokumentationspflichtige Maßnahme unterblieben ist.

9.6.5  Anscheinsbeweis

Der Beweis des ersten Anscheins kann bei typischen Geschehensabläufen anzunehmen sein. Dies ist dann der Fall, wenn von einem feststehenden Behandlungsfehler auf die Verursachung des eingetretenen Primärschadens oder von einem solchen Schaden auf das Vorliegen eines Fehlers geschlossen werden kann. Voraussetzung ist das Feststehen eines typischen Geschehensablaufes, bei dem nach der Lebenserfahrung auf die Verursachung einer bestimmten Folge durch einen bestimmten Geschehensablauf geschlossen werden kann. Diese Beweiserleichterung greift jedoch eher selten ein, da im Zahnarzthaftungsrecht solche typischen Geschehensabläufe kaum existieren.